Wie verträgt sich die Vorstellung von einer komplexen Welt mit der Strategie ihrer nachhaltigen Gestaltung? Dies ist aus unserer Sicht die Grundfrage, die sich im Umgang mit dem Nachhaltigkeitskonzept stellt. Das Nachhaltigkeitskonzept ist global und strategisch ausgerichtet, orientiert auf generationsübergreifende langfristige Wirksamkeit der Gestaltung der Entwicklung und ist mit Zukunftsverantwortung verbunden. Beansprucht das Nachhaltigkeitskonzept mithin die langfristige Gestaltbarkeit von Entwicklung, ist die Vorstellung von Komplexität mit jener von Unsicherheit, mangelnder Planbarkeit und vorausschauender Gestaltbarkeit verbunden. Dieses Dilemma aufzulösen, ist Ziel dieses Projektes.
Technisches Handeln ist eingebettet in ein komplexes Gefüge von natürlichen, technischen, ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Bedingungen. Es entfaltet sich auf singulären Entwicklungspfaden in stets kontingenten Strukturen und zeitigt Wirkungen, die nur zum Teil gewünscht und voraussagbar sind und sich keinen disziplinären Grenzen fügen. Technisches Handeln erschließt sich von daher nicht mehr nur einfach als ein Handeln, das technische Artefakte hervorbringt, sondern als eine Praxis, die alltägliche Normalität, innovative Möglichkeiten und existentielle Risiken für die gesellschaftliche und individuelle Entwicklung des Menschen generiert.
Mit der zunehmenden Innovationsgeschwindigkeit gewinnt neben der Forschung und Entwicklung auch die Anwendung und Nutzung experimentellen Charakter. Damit wird die Verantwortung für mögliche Folgen externalisiert; die Rede ist hier auch von »Risikosozialisierung«. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Eingriffstiefe in Natur, Gesellschaft und Persönlichkeit. Die zentrale Aufgabe der Technikfolgenabschätzung und –bewertung besteht darin, die Technikentwicklung in ihrem komplexen gesellschaftlichen und natürlichen Wirkungsgeflecht zu erkennen, zu bewerten und Möglichkeiten ihrer humanen, sozial- und umweltverträglichen Gestaltung zu entwerfen. Erforscht werden sollen diese Möglichkeiten in der Analyse der Digitalisierung, der Nano- und Biotechnologie, der Synthetischen Biologie etc. Dabei geht es auch um die Auseinandersetzung mit dem heute wieder dominierenden technologischen Determinismus, wonach technologische Entwicklung als gesellschaftlicher Problemlöser erscheint.